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Lieber Kurt W. Zimmermann

Das Gespräch bei Riesling, Speckplatte (aber ohne Blasmusik) mit den beiden Jungjournalisten der BAZ, muss so richtig rund gewesen sein, ab und an ein Stichwort einwerfen und Sie konnten frisch und frei schwadronieren.

Gefühlte 20`000 Zeichen lang erzählten Sie von früher und prahlten mit Handynummern.

Man könnte das Gespräch so zusammenfassen:

Kurt Womenizer Zimmermann ist der Geilste.

Nun ist es so, dass ich einige kenne, die unter Ihnen gelitten haben, aber dennoch mit einem gewissen Respekt von Ihren Blattmacher-Künsten erzählen. Es gab da dieses gefürchtete “Zorro Z”. Das bedeutete, dass ein Abschnitt gestrichen werden sollte. Mehrere Freunde erzählten, dass sie Ihr Büro weinend verlassen hätten, nachdem ganz viele “Zorro Zs” die Manuskripte zierten.

Ein Trost unter gestandenen Redaktoren war das Bonmot, dass Sie sogar den Grimme Preisträger Niklaus Meienberg umgeschrieben hatten. Rückblickend gesehen ein Frevel. Heute stehen Meienbergs Geschichten auf vielen Büchergestellen - ein schöner Gedanke, wenn ich an all die “Zorro Zs” denke.

Ich hatte nie das Vergnügen unter Ihnen zu dienen. Aber man sagt, es sei gut und lustig gewesen.

Wir zwei sind uns jedoch ein paar Mal begegnet. Einmal hatte ich die Ehre, für ein Interview mit der Sonntagszeitung die Fotos zu machen. Es war ein langweiliges Interview, denn Sie durften in gutem Konzernjournalismus-Stil das Konzept von TV3 erklären. Als publizistisches Highlight des Tamedia-Pleite-Senders dufte Michèle Hunziker damals in der Cinderalla Beauty Show, “drannebliebe, drannebliebe” ins Mikrofon quitschen. Sie erzählten, dass sie das lustig fänden. An den Rest des Gesprächs kann ich mich nicht mehr erinnern.

Aber ich weiss noch, dass der Teppich im 5. Stock weich und der Kaffee keine Automatenplörre war.

Das zweite Mal beobachtete ich Sie an der Eröffnung des Grand Casinos in Baden – ein denkwürdiger Anlass. Der Journalist, den ich begleitete, verfügte über die Gästeliste. Da waren Sie ebenso drauf wie Hänschen aus der Pfalz und der Plattenleger von Baden Baden.

Das Pikante war, dass Hänschen und der Plattenleger zwei Spielsüchtige waren, die in den meisten Casinos gesperrt sind. Die grossen Zocker bekommen jeweils lustige Übernamen.

Da ich im Innern nicht fotografieren durfte, hatte ich viel Zeit, Sie zu beobachten – mit diesem fiebrigen Blick am Spieltisch. An diesem Abend, als ich Sie im Grand Casino Baden sah, war das Ende von „Facts“ absehbar und TV3 längst Geschichte. Allein beim Privatfernseh-Abenteuer hatten Sie seinerzeit 70 Millionen Franken verzockt. Wetten, die Tamedia wäre besser dagestanden, hätten Sie nicht so hemmungslos dem Risiko gefröhnt.

Aber sicher ist: Das Lobhudel-in-den-Allerwertesen-kriech-Interview hätte gewonnen, wenn die BAZ-Jungjournalisten Hansjörg Müller und Samuel Tanner weinend aus Ihrem Büro gekommen wären, mit ganz vielen “Zorro Zs” auf dem Manuskript.

Ich grüsse Sie

Michael Würtenberg

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