Werter Andreas Kleeb, wertes No-Billag-Kernteam
Ich hätte da ein paar Anregungen zu Zwangsgebühren sowie Ideen, wie die Volkswirtschaft gestärkt werden kann. Dies bloss, um Ihr Argumentarium zur No-Billag-Initiative ad absurdum zu führen.
3,7 Milliarden Franken haben uns Steuerzahlerinnen und Steuerzahler die Berufsjammerer, die Bauern, im letzten Jahr gekostet. Die Agrarsubventionen der Schweiz sind die höchsten weltweit. 3,7 Milliarden Franken Zwangsabgaben führen dazu, dass wir in der Schweiz die höchsten Lebensmittelpreise Europas haben. Sie, ich und alle anderen Steuerzahler finanzieren also zu 65 Prozent staatsangestellte Bauern, die wir nicht bestellt haben.
Oder die Armee. Eine Folkloretruppe, deren Nutzen darin besteht, Männern während nutzlosen Kursen in Verbindung mit unerträglicher Langeweile eine Auszeit von ihren Frauen zu gönnen und zugleich die Konsumation von grossen Mengen Alkohol zu ermöglichen. Alles auf Kosten der Steuerzahler. Im letzten Jahr hat uns das 4,631 Milliarden Franken gekostet. Ich gehöre zu den 35,6 Prozent, die diesen Schwachsinn bereits 1989 abschaffen wollten. Ich kann Ihnen versichern, dass ich diese Armee nie bestellt habe.
Diese Liste liesse sich um viele Seiten verlängern.
In unserem schönen Land, meine Herren (im Kernteam der Initiative finden sich nur Männer), gibt es so etwas wie einen Vertrag zwischen Deutschschweizern, Romands, Tessinerinnen, Bauern, Bankerinnen, etc. Dieser fusst unter anderem darauf, dass wir uns gegenseitig zuhören. Der Unterschied zu beispielsweise Bosnien und Kroatien (um nur zwei der vielen blutigen Kriege der jüngeren Geschichte Europas aufzuführen) besteht darin, dass wir Minderheiten in unserem Land eine Stimme geben und einen Schritt aufeinander zugehen. Das ist zuweilen etwas langweilig und dauert. Aber es ist der Garant für Frieden und Wohlstand.
Eine Demokratie benötigt Information, Unterhaltung, Kultur, Sport und - ganz wichtig - das Wunschkonzert am Freitag Nachmittag auf SRF1 mit Rösli, 85, aus dem Entlebuch, die ihre Schwester im Kantonsspital grüsst.
Auch wenn Toni Brunner kein Französisch parliert, ist es so, dass wir in der Schweiz vier Sprachen sprechen. Und es darum etwas teurer ist, in allen Sprachen und allen Regionen den Bewohnern der Schweiz am Radio und im Fernsehen eine Stimme zu verleihen. Medien für alle, für 451 Franken im Jahr: für die Jungen, die Alten, die Linken, die Rechten, die Armen, die Reichen, etc.
A propos Geld. Die SRG ist nicht käuflich. Kein begüterter Politiker, keine Gruppierung jedwelcher Couleur, kann sie kaufen - ganz im Gegensatz zu anderen Medien. Oder schwebt Ihnen ein Modell à la Nachbarland vor? In Italien verfügt ein verurteilter Sexualstraftäter, Milliardär und Politiker quasi über ein Medienmonopol - und dies gewiss nicht zum Wohl der Demokratie oder der Gesellschaft.
Sie, meine Herren, spielen am 4. März mit einem der höchsten Güter der direkten Demokratie:
Der Konkordanz, dem Kompromiss, dem Ausgleich, dem Verständnis für Minderheiten und deren Anliegen. Die Schweiz, die Sie mit ihrer Initiative bestellen, läuft Gefahr, langfristig diese Tugenden zu verlieren. Das lässt für mich nur einen Schluss zu: Sie verraten unser schönes Land. Sie sind schlechte Schweizer.
Ich grüsse Sie
Michael Würtenberg