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Willkür, Prügel und Haft für die Energiewende.

Eine Reportage von Michael Würtenberg aus Bor, Majdanpek und Krivelj dem “Paradies” für chinesische Grossinvestoren.


Die Explosion an einem  Sonntag im Juni 2024 am Nachmittag lässt den Boden unter unseren Füssen erzittern. Selbst Mladen ist erschrocken. “ Duck dich, die Druckwelle und der Gesteinsregen kommen  später”.  Nach einer Weile sehen wir die Staubwolke  der Sprengung und wir hören den Regen aus Geröll auf die Bäume niederprasseln. Wir sind hoch oben auf dem Berg Starica mit wundervollem Blick über die Berge und Majdanpek. Der Wald hier oben im Naturschutzgebiet besteht vor allem aus kurzen Buchen. Die Bäume sind Wind und Wetter ausgesetzt. 



Die Explosion im Natuschutzgebiet. Der Staub enthält Arsen.


Vor zwei Jahren im September 2022 war ich schon mal hier und habe Irena, Mladen und Vladimir Božić, den “General”,  sowie die Schauspielerin Bojana Novakovic

und viele andere hier oben getroffen. 


Bojana Novakovic, links. September 2022


Zijin der chinesische Bergbauriese, ein staatsnaher Betrieb der Volksrepublik, ist 2018  in den Osten Serbiens gekommen und hat sich mit  63 Prozent am maroden Unternehmen, das niemand wollte, beteiligt.  Milliarden wurden investiert, die Kupferproduktion vervierfacht. Die Löhne der Arbeiter sollen verdreifacht worden sein. Der Bergbau hat im Osten Serbiens Tradition. Schon die Römer gruben hier nach Kupfer und Gold. 


Starica bedeutet alte Frau. Starica ist der Name des Berges. Starica ist auch der Name des Naturschutzgebietes. Ein Schutzgebiet mit markierten Wanderwegen und einer Höhle. Mladen, Irena und die Anderen haben vor zwei Jahren diesen Berg besetzt, weil Zijin keine Lizenz für das Wegsprengen dieses Berges hat. Das kümmert Aleksandar Vučić und die Betreiber aber nicht. 


Blick von Starica auf Majdanpek und die Kupfermine. Juni 2024


Früh morgens mache ich mich ein zweites mal nach zwei Jahren auf den Weg zur "Umfahrung" von Majdanpek. Wenige hundert Meter neben dem Städtchen führt die Strasse in den Abgrund. Der Sound der Mine, die Motoren der  schweren Dumper und Bagger, wenn sie das Kupfererz abladen und beladen werden. Und immer mal wieder ist  der Lastwagen mit dem Sprengstoff, der die spiralförmigen Strassen hochfährt, zu sehen. Es ist ein faszinierendes Geschehen. Unterbrochen wird die Kakophonie exakt um sieben Uhr in der Früh, wenn Schichtwechsel ist. Vor zwei Jahren war hier noch ein Geländer, aber die Strasse ist mittlerweile weggegbrochen.  



Unterbrochen wird die Kakophonie exakt um sieben Uhr in der Früh, wenn Schichtwechsel ist. Vor zwei Jahren war hier noch ein Geländer, aber die Strasse ist mittlerweile weggegbrochen.  Majdanpek Juni 2024


Zijin förderte im vergangenen Jahr in Bor, Majdanpek, Veliki Krivelj, Cukaru Peki und in Zajchar 240,000 Tonnen Kupfer und 7.5 Tonnen Gold. Ein grosses und gutes Geschäft- für die Chinesen. Niemand muss Betriebswirtschaft studiert haben, um das zu sehen. Ein Spaziergang durch Bor oder Majdanpek reicht, um zu sehen, dass die Gewinne aus diesem Schatz nicht zum Wohle der Menschen hier verwendet werden. Irena Živković, Parlamentarierin in Bor sowie im nationalen Parlament Serbiens und glühende Gegnerin des Autokraten Aleksandar Vučić führt mich zum ausgebrannten und geplünderten Bahnhof von Bor. Irena ist hier geboren. Seit vielen Jahren kämpft die Frau gegen Umweltverschmutzung und Misswirtschaft. Irena: “ Wir waren nie ein Luftkurort, aber seit die Chinesen hier sind, ist alles noch viel schlimmer geworden”.


Irena Živković posiert im ausgebrannten und geplünderten Bahnhof von Bor. Juni 2024


Gestorben wird im Osten Serbiens oft vor der Zeit. Todesanzeigen in Bor. Juni 2024


Gleich hinter dem dem Bahnhof von Bor ist die Kupferschmelze. Juni 2024



Gleich hinter dem Zaun ist die Kupferschmelze von Bor. Das Kupfererz der verschiedenen Standorte wird hier mit grosser Hitze, viel Wasser und  Chemie zu reinem Kupfer verarbeitet. Vor zwei Jahren hier in Bor kratzte es im Hals, sobald man aus dem Auto stieg. Jetzt scheinen die Chinesen tatsächlich Filter installiert zu haben. Die Luft ist wie von Mr. Bloomberg angepriesen, tatsächlich etwas besser geworden. Herr Bloomberg so nenne ich Ihn, war auf Einladung von Ziijin und im Auftrag von Bloomberg im Frühling zuerst in China am Hauptsitz und dann im Werk in Bor. Er zeigt mir in Belgrad Videos auf seinem Handy von Robotern die die glühenden Kupferplatten in Kühlbecken stellen und er  ist voll des Lobes für die chinesischen Investoren. Sie hätten sogar einen Park gespendet, mit Laternen. Aber noch immer werden Grenzwerte massiv überschritten und die Lebenserwartung ist tief. Auch dazu ist keine tiefere Kenntnis oder ein Gespräch mit einer Fachfrau nötig. Ein Blick auf die Todesanzeigen, die im Balkan immer an Litfasssäulen, Bäumen und Wänden angebracht sind, reicht, um zu sehen, dass hier oft vor der Zeit gestorben wird. 


Milosh ist ein Starkstromelektriker und Zimmermann. Sein Geld verdient er beim Betreiber in Bor. Die riesigen Maschinen benötigen Wartung. Milosh besitzt ein Haus in Krivelij. Ein Dorf in der Nähe von Bor. Im April 2024 war das Kaff kurz in den Medien. Denn ein Teil der Bewohner und Bewohnerinnen wehrt sich gegen die Übernahme durch Zijin. Der Konzern möchte das Dorf platt machen und die Mine ausbauen. Milosh führt mich über einen kleinen Erddamm zur Baustelle. Hier sind chinesische Arbeiter am Werk. Ein neues Wasserreservoir und eine Wasserleitung für die Flotation mit mehreren Metern Durchmesser wurden durch den Berg gebohrt. Auch diese Bauarbeiten finden ohne Zustimmung der Menschen hier statt. Aber laut Milos  gibt es Ärger mit der EU. Zijin

leitet das Wasser aus der Donau hierher. 



Milosh ist ein Starkstromelektriker und Zimmermann. Sein Geld verdient er beim Betreiber in Bor.



Zwei Tage zuvor in Majdanpek treffe ich Mladen und Irena im Hotel “Golden Inn” zum Abendessen. Das einzige Hotel am Platz mit Restaurant ist ein grauer Betonkasten aus Titos Zeiten.  Die roten Teppiche in den Zimmern und Gängen sind abgetreten. Im Restaurant treffen sich alle. Es wird gequalmt.  Zwei Jahre ist es her, als wir uns hier zum ersten mal trafen. Von hier fuhren wir zuerst mit dem Auto auf den Berg Starica, bis ich stecken blieb und wir nur noch zu Fuss weiterkamen. Mit Sack und Pack stiegen wir zum Camp hoch. Wir hatten Essen und Flüssiges dabei.


Mladen auf Starica. Angeklagt wegen Rassismus und Volksverhetzung. Juni 2024

 


Mladen und Irena  erzählen beim Abendessen im “Golden Inn” was nach meinem ersten Besuch geschah: Man warnte uns aber wir wollten nicht aufgeben. Am 26.9 2022 kamen dann zwischen 30 und 50 maskierte Polizisten und räumten das Camp. Vladimir Božić wurde brutal zusammengeschlagen und mit Handschellen an die Füsse gefesselt”. Offenbar wollte die Polizei, dass Božić  gegen Mladen aussagt. Irena, Mladen und Božić sind die Köpfe der Organisation “NuDau” das heisst soviel wie Hände weg. Irena ist Klavierlehrerin und zusammen mit Mladen. Die beiden haben Drillinge im Alter von 12 Jahren. Mladen ist IT Unternehmer. Ihr Lokal ist im Zentrum von Majdanpek. Im Parterre wurde eine Schaufensterpuppe als Krawall Polizist verkleidet.  Mladen war  nach der Räumung für drei Wochen in Negotin im Knast und weitere drei Monate unter Hausarrest. “Ich sah mit dieser elektronischen Fessel wie ein Hund aus”. Es regnet und gewittert an diesem Abend im Juni 2024 in Majdanpek. 


Irena: “ Es ist die Hölle, unsere drei Kinder wachen in der Nacht auf und haben Angst. Manchmal fragen sie, ob es ein Gewitter oder eine Sprengung ist”.  Auch an diesem Abend in Majdanpek bin ich zuerst nicht sicher, ob es Sprengstoff oder ein starkes Donnergrollen ist, das uns zusammenzucken lässt. Mladen: ”Ich bin angeklagt wegen Rassismus und Volksverhetzung in Serbien und warte auf den Prozess, unser Anwalt hat uns gesagt, dass dies einer dieser Gummiparagrafen  ist, um Aktivistinnen wie uns zur Räson zur bringen”.

Irena:”Die Explosionen auf Starica sind jetzt bis in mein Heimatdorf, Rudna Glava zu hören. Irena: ”Meine Eltern wohnen im 25 km entfernten Dorf”. 


Der Betreiber ist mit Starica zur Häfte durch. Ein gefrässiges Monster, das mit viel Wumms und schweren Maschinen ganze Berge abträgt , zu Kupfer, Gold und noch mehr Geld verarbeitet. Ich frage Irena und Mladen weshalb dieses Städtchen wie ein Slum aussieht und wo der ganze Reichtum verschwindet. Irena: “Zijin vermutet direkt unter der Stadt noch mehr Kupfer und sie planen uns alle umzusiedeln und ein neues Majdanpek zu bauen, aber ich bin hier geboren, unsere Kinder sind hier zur Welt gekommen es ist unser Land und unsere Stadt.” Mladen:” Wir werden mit unserer Klage gegen Zijin und Serbien bis nach Strassburg gehen. Zijin baut hier auf Starica ohne Lizenz Kupfer und Gold ab”. Das war schon vor zwei Jahren der Grund weshalb die Menschen von NUDAU auf den Berg zogen und Zijin zumindest eine Weile dazu zwangen nicht zu sprengen sondern mit dem Bagger Starica die alte Frau weg zu  meisseln. Der Betreiber beteuert auf seiner Website sich strikt an die serbische Gesetze zu halten. Aber was gelten Gesetze, ein Grundbucheintrag wenn es um Investitionen in Milliardenhöhe geht? Tatsächlich wir kommen im Laufe des Abends auf das Haus von Mladens Mutter zu sprechen. Mladen: “Die Wohnung gehört meiner Mutter aber das Land ist seit neuestem im  Grundbuch auf Zijin eingetragen” Ich frage Mladen ob er mir das später online noch zeigen könne. Und tatsächlich: Das Grundstück ist nicht mehr im Besitz der Familie. So geht das in Serbien. 





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